Geplant war mit Luci jedes Mal einen anderen Weg zu gehen. Genauso sollte es heute sein. Zuerst habe ich doch gezögert. Das Wetter wechselte quasi alle fünf Minuten von Schnee, Hagel, Sonne, Schnee, Wind, kein Wind, Sonne, Schnee und wieder von vorne. Aber das habe ich gleich verworfen und es als gute Übungssituation eingeordnet. Ebenso zögerte ich kurz beim geplanten Weg. Es sollte ein anderer sein und einer von der Sorte, wo Luci gerne unruhig wird. Auch hier wollte ich nicht vom Plan abweichen. Mein Ziel heißt schließlich: Ich gehe da lang wo ich lang gehen möchte.
Ich putze sie während dieser Überlegungen. Besonders ausgiebig kraule ich ihre Lieblingsstellen. Das finde sie super. Einmal noch die Hufe kontrollieren und los geht es.
Gestern bekam ich so viele hilfreiche und lieb gemeinte Idee zu unserem Problem. Darüber habe ich mich sehr gefreut. Am meisten blieb mir da ein Satz von Laura Harmening in meinem Kopf: Du musst die Idee, dass etwas gefährlich ist, im Keim ersticken.
Darüber habe ich gefühlt die ganze Nacht nachgedacht und überlegt, wie ich das in meine Art einbauen könnte. Schon beim Loslaufen war Luci Grundstimmung viel entspannter als gestern.
Der Plan sah aus wie folgt: Jedes Mal, sobald ich ein Zögern am Strick spüre, z.B. durch ein verlangsamtes Gehen oder heben des Kopfes um etwas anzuglotzen, drehe ich mich um und lasse ihre Hinterhand weichen. Ganz in Ruhe ohne Stress.
Das erste Mal kam mein Plan erst beim Windkraftwerk zum Einsatz. Auf der Höhe des Wald des Schreckens fängt sie an in den Wald zu schauen. Ihr Kopf wanderte hoch, die Bewegungen werden schon zäher. Also drehe ich mich zu ihr um und lasse ihre Hinterhand weichen. Für jeden gekreuzten Schritt gibt es ein Lob. Dann geht es weiter. Sie kaut ab. Ein paar Meter später muss ich das gleiche noch mal machen. Sie kaut wieder und wir gehen weiter.
Jetzt bleibt der Kopf unten und ihre Gesicht ist entspannt. Das Maul wippte mein jedem Schritt und sie kneift es nicht zusammen. Dann wenden wir in die neue Richtung. Weg von zuhause in den Weg, wo sie gerne unruhig wird. Das wird sie auch. Sie bremst und will nicht weiter. In aller Ruhe lasse ich ihre Hinterhand weichen. Jetzt tritt sie nicht sofort über, sondern weicht nach hinten, versucht zu glotzen. Ich bleibe einfach dabei, frage, sie weicht, frage wieder, lobe, lasse sie weichen und gehe dann in den Weg. Sie kaut, schnaubt ab und kommt mit. Mein Herz macht einen Freudensprung.
Jetzt muss sie gut aufpassen, der Weg ist ausgespült und das tut sie wirklich gut. Schaut auf den Boden und setzt ihre Füße sicher durch den ausgefahrenen Weg. Sie schnaubt und sieht entspannt aus. Oben angekommen wenden wir nach rechts. Sie sieht immer noch total zufrieden und entspannt aus.
Als nächstes kommen wir an einem Hof vorbei wo viele Stämme herumstehen und große Steine in den Wiesen liegen. Luci hebt schon den Kopf und fixiert wieder etwas. Wieder lasse ich sie weichen und gehe dann weiter. Das muss ich noch einmal machen, dann kaut sie und schnaubt wieder ab. An der Straße warten wir und gehen rüber.
Der Weg, der jetzt folgt ist oft rutschig und ich bete ein bisschen, dass ich sie hier nicht weichen lassen muss. Alles geht gut. Einmal rutscht sie, aber sie bleibt entspannt.
Am Ende wenden wir wieder nacht rechts. Am Ende der Straße ist ein Hof, auf dem im Sommer immer ein Mähroboter herumfährt. An den scheint sie sich zu erinnern, denn sie wird wieder unruhig. Jetzt kommt auch noch ein Auto von hinten. Das lasse ich erst vorbei und dann lasse ich die Hinterhand weichen, sie kaut, schnaubt und wir gehen weiter.
Direkt auf der Höhe des Hofes muss ich sie noch mal weichen lassen. Jetzt ist ihr Pegel höher, denn sie glotzt trotzdem zum Hof. Ein kleiner Impuls am Knotenhafter reicht aber, um sie doch zum Übertreten zu bekommen. Erst schlechter, dann wieder weich und leicht. Weitergehen, kauen, schnauben und Kopf tief. Ihr Gesicht ist wieder entspannt.
Wir kommen genauso entspannt zu Hause an. Jetzt habe ich ein Dauergrinsen im Gesicht. Ich glaube, dass die Kombination aus der „Jungpferdeidee“ von gestern und dem Weichenlassen von heute den Durchbruch für heute gebracht hat. Gestern hatte sie Zeit zum Nachdenken und sie hat gelernt, dass ich mich nicht gegen sie stelle. Heute hat sie gelernt, dass ich die Situation erkennen und reagiere bevor sie reagiert.
Mal sehen, freue mich auf die nächste Erfahrung mit ihr.
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